Zwischen Unterschied und Ähnlichkeit.
Die Darstellung der katalanischsprachigen Welt im Diskurs von heute und gestern
07.09 – 10.09.2022
Universität Bern
Die Art, wie wir uns präsentieren, darstellen oder vorstellen, ist das Resultat dialogischer und dynamischer diskursiver Konstruktionen, die von einer Vielzahl kontextueller Faktoren abhängen. Unser Selbstbild wird durch unseren Blick auf andere und die Sicht anderer Menschen auf uns selbst beeinflusst. Der Ausdruck dieser oft gegensätzlichen Perspektiven auf das Ich und auf die anderen wird zum Teil durch die jeweils gegebenen sprachlichen Mittel und die Diskurstraditionen der verwendeten Sprache bestimmt.
Die Tendenz, die gegensätzlichen Charakteristika – oft negativ – hervorzuheben, erleichtert die Differenzierung von Selbstbild und dem Bild der anderen. Diese Praxis steht im Einklang mit der in Volksweisheiten und gesundem Menschenverstand verankerten Tendenz zur Identitätskonstruktion auf Grundlage binärer Oppositionen (Mandler 2006: 272). Das Verständnis von Differenz kann jedoch nur im Zusammenspiel mit dem Konzept der Ähnlichkeit Sinn ergeben. Tatsächlich wurde in den Sozialwissenschaften und vielen anderen Wissenschaftsdisziplinen Ähnlichkeiten und Unterschieden besondere Bedeutung für die Konstruktion und Interpretation von identitätskonstruierenden Narrativen beigemessen. Hervorgehoben wurde dabei die Überschneidung und Gleichzeitigkeit der Prozesse der Identitätskonstruktion und ‑interpretation und der Identitätsdiskurse, welche die Analyse der Identitätskonstruktion stark beeinflusst. In den letzten Jahren hat es allerdings, aus verschiedenen politischen, ideologischen und machthierarchischen Gründen aus globaler soziopolitischer Perspektive eine Zuspitzung der binarischen und essentialisierenden, d. h. die Komplexität reduzierenden vereinfachenden bzw. Identitätsdiskurse bzw. der Debatten über sie gegeben. Auch im katalanischen Sprachgebiet ist dieses Phänomen aktueller denn je.
Der an der Universität Bern abgehaltene 28. Deutsche Katalanistentag 2022 möchte ein Forum für die Reflektion und den Austausch über die Gründe, die Konsequenzen und die Gefahren dieser Binarismen und die Komplexität der Entstehung oder Schaffung von Identitäten bzw. Identitätsbildern in den katalanischsprachigen Gebieten bzw. Gesellschaften bieten. Eine Annäherung an diese Fragestellung erscheint besonders sinnvoll innerhalb eines multi-, inter- und transdisziplinären Rahmens, der u. a. die Perspektiven der Sprachwissenschaft, Diskursanalyse, Translatologie, Medienwissenschaften, Kulturwissenschaften, Literaturwissenschaften, Genrestudien aus synchroner wie diachroner Perspektive einschließt.
Die Notwendigkeit einer solchen transversalen Perspektive wird beispielsweise offensichtlich, wenn man betrachtet, dass bestimmte von den katalanischen, spanischen oder internationalen Medien reproduzierte Identitätsbilder mitunter das Ergebnis der Perpetuierung diskursiver Repräsentationen in der literarischen Fiktion der Gegenwart oder der Vergangenheit sind, und dass diese wiederum einen konzeptuellen Rahmen bilden können, der die Perzeption der vielen „imaginären“ katalanischsprachigen und ausländischen Gemeinschaften (Anderson 1983) beinflusst.
Der 28. Deutsche Katalanistentag möchte diese Pluralität der Perspektiven befördern und Raum bieten für kritische, theoretische und methodologische Reflexionen und Fallstudien zu den Prozessen der Konstituierung, Diffusion und Subversion von Bildern der katalanischsprachigen Welt in den katalanischsprachigen Gebieten selbst oder aus der Perspektive anderer Kulturen – und damit auch zu den Widersprüchlichkeiten, die diese inneren und äußeren Perspektiven implizieren können.
Mit diesem Ziel der Berücksichtigung bzw. Ermöglichung der Pluralität der Perspektiven umfasst der Katalanistentag die folgenden thematischen Achsen:
● Die Konstruktion binarischer Identitäten und von binarische Positionen in Frage stellenden Identitäten im literarischen System.
● Die diskursiven Praktiken in Bezug auf die katalanischsprachige Welt, Ähnlichkeiten und Unterschiede im Bereich der Diskursanalyse und der medialen Studien.
● Die Betrachtung und Repräsentation des Anderen in der Sprache und in der Translation und ihr Wandel in der Geschichte in Abhängigkeit von Moden und Tendenzen.
● Die sprachliche Repräsentation dieser Relation von Ähnlichkeit und Unterschied, von Inklusion und Exklusion